Tief unter der Elbe
So neu ist er gar nicht mehr, der Neue Elbtunnel in Hamburg, der erstmals 1975 in Betrieb genommen wurde. Allerdings zählt dieses Bauwerk mit einer Gesamtlänge von 3.325 Metern zu den längsten, mit mehr als 120.000 Fahrzeugen pro Tag zu den bedeutendsten und mit einer NEXUS-basierten Durchsageanlage zu den sicherheitstechnisch gesehen modernsten Unterwasser-Straßentunneln der Welt
Will man aus Richtung Süden nach Hamburg hinein, so führt der Weg unweigerlich über die Elbe – oder darunter hindurch. Die vielbefahrene A7, die Hauptschlagader in Richtung Norden, leitet den Verkehrsstrom durch einen vieradrigen Tunnel unter die große Wasserstraße der Hansestadt. Etwa jeden dritten Tag bleibt hier ein Auto liegen oder es ereignet sich ein Unfall; eine ganz normale Autobahnstatistik.
Allerdings kann ein defektes Auto in der Tunnelröhre schnell gefährlich werden. In Autobahntunneln gelten daher erhöhte Sicherheitsvorschriften, unter anderem zur schnellen Evakuierung des Tunnels. Ein wichtiges Handwerkszeug im Gefahrenfall stellt dabei die Durchsageanlage dar, die in Deutschland strengen Richtlinien genügen muss. Damit lag der Einsatz von NEXUS im Elbtunnel nahe.
Akustisch schwierig
Seit August 2010 ist in Röhre 2, einer der vier Tunnelröhren, eine CAS-300-Durchsageanlage mit NEXUS als Audionetzwerk in Betrieb. Sie ermöglicht Lautsprecherdurchsagen, die Anweisungen an die Autofahrer im Tunnel weitergeben.
Solche Systeme kämpfen in der Regel mit den typischen akustischen Gegebenheiten eines Tunnels. Reiht man die Lautsprecher längs der Röhre auf, so kommt es zwischen ihnen zu unerwünschten akustischen Überlappungen. Um einer dardurch hervorgerufenen, schlechten Verständlichkeit vorzubeugen, arbeitete die alte Durchsageanlage in einer einzigen Tunnelröhre mit der hohen Anzahl von insgesamt ca. 800 Lautsprechern, die in einem Abstand von je 3,75 Meter montiert waren.
Auf diese Weise wurde erreicht, dass sich jeder Autofahrer in der Nähe eines Lautsprechers befand und möglichst Direktschall wahrnehmen konnte. Dennoch: Die hohe Lautsprecheranzahl regte das Nachhallfeld so stark an, dass die Sprachverständlichkeit immer noch extrem litt.
Aus Schwächen werden Stärken
Der Ansatz, den die NEXUS-Durchsageanlage verfolgt, kämpft nicht gegen die Akustik des Tunnels, sondern nutzt sie. Eine Besonderheit liegt nämlich darin, dass sich der Schall im Tunnel mit einer so genannten synchronisierten Längsbeschallung nach dem SLASS-Konzept (Synchronised Longitudinal Announcement Speaker System) als kohärente Welle realisieren lässt. Dabei breitet sich der Schall mit Wellenfronten aus, die sich nicht chaotisch überlagern, sondern zeitlich synchronisiert wie eine einzelne Schallwelle durch den Tunnel bewegen.
Mit nur 46 Lautsprechern – das entspricht einem Lautsprecher pro 64 Meter Tunnellänge – erzeugt die neue Anlage eine sich längs der Tunnelröhre fortsetzende Welle. Dazu wird jedes einzelne Lautsprechersignal dergestalt verzögert, dass ein Lautsprecher es genau dann phasenrichtig abstrahlt, wenn die entsprechende Schallwelle vom vorherigen Lautsprecher eintrifft. Nach diesem Prinzip entsteht über die gesamte Tunnellänge eine Signalverzögerung von etwa zehn Sekunden.
Die Wahl fiel auf neuartige Grenzflächenhorn-Lautsprecher, die die Tunneldecke quasi als Hornverlängerung einsetzen. Sie regen eine stark gebündelte Welle auch dank ihrer hohen Rückwärtsdämpfung exakt in der gewünschten Schallrichtung an und sind darüber hinaus noch extrem flach. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, denn die Bauhöhe ist in einem Tunnel kostbar.
Alles verstanden
Der Tunnel ist mit drei Lüftungsbauwerken im Norden, Süden und in der Mitte ausgestattet und verfügt über eine Tunnelbetriebszentrale. In jeder dieser Stationen steht ein NEXUS-Basisgerät bereit, das die Signale auf internen DSP-Karten akustisch korrekt verzögert und auf separate Endverstärkerkanäle routet. Neben der NEXUS-eigenen Betriebssicherheit, die durch redundante Glasfaserstränge und Netzteile sowie ständige Systemkomponenten-Überwachung erzielt wird, übernehmen die Komponenten des CAS-300 die übrigen geforderten Sicherheitsprüfungen. Dazu gehört die Verstärkerüberwachung mit Havarieverstärkern, der überwachte Sprachspeicher, die komplette Überwachung der Lautsprecher-Stromkreise und aller Audiosignale bis hin zur Mikrofonkapsel. CAS-300 stellt außerdem die Sprechstellen, über die bei Bedarf eine Durchsage aufgesprochen werden kann. Das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen: Die Sprachverständlichkeit hat ein bislang für Tunnel beispielloses Qualitätsniveau erreicht.
Der Planer
Oliver Reimann hat als Mitarbeiter des Ingenieurbüros IfB consulting die Konzeption und Planung der Durchsageanlage in der Röhre 2 des Neuen Elbtunnels erarbeitet. Mit seinem neu gegründeten Planungsbüro SPRECH-FABRIK ENGINEERING ist er im Februar 2011 nun auch beauftragt worden, den Umbau der übrigen Tunnelröhren zu planen, die dem erfolgreichen Konzept der Röhre 2 folgen werden.
Cegelec
Das Foto des Elbtunnelportals wurde uns freundlicherweise von der Firma Cegelec zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Cegelec ist ein Spezialist für die umfassende Ausrüstung von Tunnelanlagen. Hierzu gehören Verkehrs- und Betriebstechnik und Energieversorgung ebenso wie Lüftung / Entrauchung und Sicherheits- und Gebäudetechnik. Zu Cegelecs wichtigsten Projekten der jüngeren Zeit gehören der Elbtunnel (Tunnelröhre 4), Hamburg, der Moorfleettunnel, Hamburg, und die Warnowquerung, Rostock. Cegelec hat zudem die kaufmännische Federführung beim Großprojekt der Nachrüstung des Elbtunnels in Hamburg. Bis 2011 werden die Tunnelröhren 1 bis 3 betriebs- und verkehrstechnisch mit neuster Technik nachgerüstet.
In den jährlichen, europäischen ADAC-Tests haben mehrere von Cegelec ausgerüstete Tunnel die Note »sehr gut« erhalten: unter anderem 2007 der Tunnel Nollinger Berg an der A861 in Baden-Württemberg. Als »besten Tunnel in Deutschlands 2007« bewertete der ADAC den Tunnel am Tiergarten in Berlin, der ebenfalls von Cegelec ausgestattet wurde.