Ski-WM 2003 in Sankt Moritz
St. Moritz, 1. Februar '03. Eine klare Nacht bei minus 20 Grad. Gerade hat die Eröffnungsfeier der Ski-WM begonnen, vor begeisterten 10.000 Zuschauern und vor der internationalen TV-Gemeinde. Unterstützt wird die WM-Übertragung durch eine Technik der Superlative. Die Sterne stehen günstig für einen neuen Rekord des bisher größten – und höchsten – Audio-Netzwerks aus zwei NEXUS STARs.
Sterne, Medaillen und Rekorde
St. Moritz bietet als Austragungsort von Skirennen ein ganz besonderes, hochalpines Flair. Im Gegensatz zu anderen Orten wie etwa St. Anton oder Schladming liegt das Zielgebiet der Pisten weit oben am Berg, in Salastrains in gut 2.000 m Höhe. Eine traumhaft schöne Bergatmosphäre für Zuschauer und Sportler, doch für die Technik bringt sie große Herausforderungen mit sich. Das beginnt bei der aufwendigen Logistik, geht über die extremen klimatischen Bedingungen für das Equipment bis hin zum steten Mangel an ebenen, technisch nutzbaren Flächen in unmittelbarer Nähe des Geschehens! Der Host-Broadcaster SRG SSR idée suisse zusammen mit ihrer technischen Produktionsfirma tv productioncenter zürich ag, kurz tpc, und die Stadt St. Moritz haben daher nur die unbedingt notwendige Technik oben im Zielgebiet in Salastrains und an den Pisten des 2.836 m hohen Piz Nair installiert. Alle andere Fernseh- und Übertragungstechnik, wie zum Beispiel die Studios für Abendsendungen, die MAZ-Schnittplätze der ausländischen TV-Sender oder die Satelliten-Mobile richteten sich etwa 200 Höhenmeter unterhalb des Zielgebiets ein, in St. Moritz Dorf, oder noch etwas tiefer in der Talsohle von St. Moritz Bad.
Vollverglast und digital
Man machte aus der Not eine Tugend und überbrückte die Distanzen von mehreren Kabelkilometern zwischen den einzelnen Schauplätzen mit Glasfasern: Damit ist die Ski-WM 2003 die erste Weltmeisterschaft, die die Distribution von Video, Ton und Kommunikation innerhalb des Technikverbundes rein auf Glasfaser vornimmt. Die Anzahl der Kabel ist limitiert, weshalb zur besseren Auslastung sowohl Video, Ton als auch die Kommunikationssignale über ein und dasselbe Kabel geschickt werden. Dazu verwendet tpc ein Multiplexverfahren und verschieden-»farbige« Lichtsignale auf den Fasern und vergrößert damit die Auslastung des einzelnen Kabels um bis zu 400 %. tpc benutzt hierfür die relativ neuen Flashlink-Komponenten, die in einem so genannten Dense Wave Length Division Multipexing DWDM mit verschiedenen Wellenlängen codieren können.
Weit verstreut
Die Glasfaserverkabelung ermöglichte noch ein zweites WM-Novum, nämlich die rein digitale Produktion sowohl des Bildes als auch des Tons. Für tpc an sich nichts Neues, denn in der Außenübertragung wie auch in den Produktionsstudios gehört NEXUS, meist in Kombination mit CANTUS, praktisch zum Standard. Insofern fiel die Wahl des Signalrouters und Distributionssystems für den Ton und die Kommunikation bei der Ski-WM leicht; eine große NEXUS-Vernetzung bot sich schlicht an. Das räumlich geteilte Konzept legte es nahe, mit zwei technischen Hauptzentralen zu agieren: einem Technical Operation Center TOC direkt am Zielgebiet und einem International Broadcaster Center IBC in St. Moritz Bad, die je eine NEXUS-STAR-Vernetzung erhielten. Untereinander sind die beiden Zentralen per MADI verbunden; man wollte so die Netze unabhängig voneinander halten und gleichzeitig einen freien Signalaustausch ermöglichen. Das TOC fungiert als technischer Kern des Host-Broadcasters und verfügt neben dem STAR über 17 teilweise weit verstreut installierte NEXUS-Basisgeräte mit insgesamt 1.436 Quellen und 1.380 Senken. Man findet sie zum Beispiel in Containern entlang der Pisten, wo sie die Mikrofonsignale einsammeln und Anschluss an das Kommunikationssystem bieten. Teilweise werden sie mobil eingesetzt und stehen je nach Bedarf offen an der Rennstrecke. Oder sie stehen der Eurovision zur Verfügung, binden die vier gläsernen TV-Studios mit Blick auf das Zielgebiet in das Netzwerk ein oder dienen als Interface für das Kommunikationssystem. Sie ermöglichen zudem die Anbindung von Journalistenmikrofonen im Zielgebiet, die für kurzfristige Interviews mit den Athleten geschaltet und zur Aufzeichnung an einen der Ü-Wagen oder ins IBC geleitet werden müssen. Alle Basisgeräte sind sternförmig an den STAR angeschlossen, so dass dieser eine echte Schaltzentrale bildet.
Großer Wagen auf 2.000 Metern
Schon im Sommer ist es schwierig, einen großen Ü-Wagen über die engen, steilen Serpentinen auf den Berg zu fahren. Im Winter mit glatter Fahrbahn, Schneeketten und einengenden Schneewällen entlang der Straße ist es eine Aufgabe für Spezialisten, unterstützt durch zusätzliche Zugmaschinen oder Schneepflüge. Trotz des hohen Aufwands wurden immerhin acht Ü-Wagen auf den Berg direkt neben das TOC gehievt, darunter zwei riesige Wagen von tpc, die die Signale für alle angeschlossenen TV-Abnehmer produzieren. Genau genommen sind sie für die Mittel- und Endregie der IT-Mischung verantwortlich, während ein provisorisches Studio im TOC selbst die Startregie übernimmt. Da beide Wagen mit CANTUS und NEXUS ausgerüstet sind, ließen sie sich einfach über MADI in das TOC-Netzwerk integrieren. Auch einige Gast-Fernsehsender haben die Mühe nicht gescheut, ihre Übertragungswagen bis ans TOC zu fahren, darunter zum Beispiel der ORF, für den die Ski-WM traditionell eine besonders große Bedeutung hat. Um sie in das Netzwerk einzubinden, steht noch ein weiteres NEXUS Basisgerät zur Verfügung.
Hotel mit Infrastruktur
Viele Sender haben jedoch auf einen eigenen Ü-Wagen verzichtet und nutzen statt dessen im IBC einen der zahlreichen technisch erschlossenen Räume. Das provisorisch in einer Tennishalle aufgebaute IBC wurde dazu in 75 Räume unterteilt. Sie werden überwiegend als MAZ-Schnittraum oder – bei Radiosendern – als Tonregie benutzt und von den Nutzern selbst mit Technik bestückt. Die Hauptaufgabe des Host-Broadcasters im IBC liegt in der Zulieferung der Signale aus dem TOC in die einzelnen Räume des IBC, in der Überwachung der abgehenden Signale und in der Anbindung an die Satellitenmobile, die auf dem Parkplatz vor dem IBC untergebracht wurden. Eine Aufgabe, die der zweite NEXUS STAR übernimmt, unterstützt von 10 NEXUS-Basisgeräten. Eingebaut in einen Kontrollraum, stellt dieser zweite STAR die Distribution der Audiound Kommunikationssignale innerhalb des IBC und die Verbindung zum TOC sowie zu allen weiteren Installationen in St. Moritz zur Verfügung. Das IBC liegt etwas außerhalb, in St. Moritz Bad. Weiter oben in St. Moritz Dorf, dem eigentlichen Stadtzentrum, finden die Siegerehrungen statt und sind TV-Studios für Abendsendungen aufgebaut. Glücklicherweise hatten die Hotels, in denen die provisorischen Studios installiert wurden, schon vorausschauend in einen Glasfaserring investiert, der die Häuser untereinander verbindet. Mit der Ski-WM kam dieser Ring erstmals zum Einsatz und ermöglichte den einfachen Anschluss externer Basisgeräte auch dort, in jedem Studio.
Redundanz
Was würde passieren, wenn bei einem so einmaligen Ereignis wie der Ski-WM ein technischer Ausfall die Übertragung lahmlegt? Das TV-Publikum würde um seine Stars betrogen und für den Host-Broadcaster selbst würde dies enorme finanzielle Probleme aufwerfen, ganz abgesehen vom Prestigeverlust und von der Enttäuschung der etwa 170 seit Wochen hart arbeitenden technischen Mitarbeiter. Doch so groß der Wunsch nach absoluter Sicherheit ist – bei einem derart komplexen System ist eine vollständige Redundanz für eine Kurzzeit-Installation nicht finanzierbar.
Statt einer Spiegelung des Gesamtsystems einigte man sich auf eine Verdoppelung der gefährdetsten Komponenten. Im Ton- und Kommunikationsnetz sind dies die Glasfaserleitungen. Das NEXUS bietet schon von Hause aus eine hohe Redundanz, bei der alle Glasfaserverbindungen zwischen jedem Basisgerät und den STARs doppelt ausgelegt werden können. Der Kabelstrang vom TOC zum IBC wurde zusätzlich noch durch eine angemietete Glasfaserleitung von der Swisscom als Backup-Leitung gesichert. Um einem eventuellen Ausfall der Zentralen vorzubeugen, stand außerdem ein STAR als Ersatzsystem auf Abruf vor Ort; gebraucht wurde es dank der hohen Zuverlässigkeit des NEXUS jedoch nicht.
Viel Unterstützung
Das Projekt war für alle Beteiligten eine große Herausforderung, auch für Stage Tec. Denn ein Großteil der NEXUS-Technik, die Stars und 25 der Basisgeräte sowie das CANTUS und NEXUS der Startregie waren von Stage Tec leihweise zur Verfügung gestellt. Schon seit Projektbeginn unterstützte Stage Tec die Planung des NEXUS-Gesamtsystems und nahm so direkt Einfluss auf den Erfolg der Veranstaltung – und auf den Stand der Sterne.
Zum ersten Mal seit 1974 ist der mondäne Schweizer Wintersportort St. Moritz wieder Austragungsort der Ski-Weltmeisterschaft. Auf diese lang ersehnte Chance hat sich die Stadt und der Host-Broadcaster SRG SSR idée suisse, der öffentlich-rechtliche TV- und Radiosender-Verbund der Schweiz, mit einer fest im Berg eingebrachten Glasfaserverkabelung von insgesamt 12 km Länge gründlich vorbereitet und schon das Worldcup-Rennen im letzten Jahr quasi als technische Generalprobe genutzt. Eine WM bedeutet jedoch einen deutlich größeren Aufwand als ein Worldcup, denn in 12 Rennen und drei Abfahrtstrainings wollen rund 400 Athleten aus 59 Nationen von A wie Algerien bis U wie Usbekistan abgefilmt werden. Insgesamt werden etwa 450 Stunden Programm für 300 Mio. Zuschauer in aller Welt ins Fernsehen übertragen. Für die Technik heißt dies: Mehr Rennen in kürzerer Abfolge, die bei unterschiedlicher Streckenführung sogar Umbauten von transportablen Basisgeräten und Kameratechnik an der Piste erfordern. Das engste Zeitraster mit nur 90 Minuten zum Umbau und Betriebstest entsteht bei den Kombinationen Abfahrt und Slalom – was nur mit Hilfe eines Helikopters überhaupt möglich ist.
Einfach logisch: Programmierbare GPIs in neuer NEXUS-Generation
Die Steuerung externer Geräte gehört in NEXUS zum Standard. Über General-Purpose-Interfaces, kurz GPI, lassen sich schon seit jeher vielfältige externe Steuerungen realisieren. Immer speziell auf die Kundenanforderung zugeschnitten, jedoch bisher immer fest eingestellt ab Werk.
Mit der neuen NEXUS-Generation wird diese Steuerung nun flexibel: Sie lässt sich direkt vor Ort programmieren und verändern – auch für komplexe Verknüpfungen! Bei der Ski-WM nutzte man dies ausgiebig, um für jedes einzelne Rennen eine eigene Kamera-Rotlichtschaltung zu definieren. Das neue Edit-Fenster für Logikfunktionen bietet die Definition eines jeden XRI Ein- oder Ausgangs des Systems. Der Ausgang kann beispielsweise eine TTLSpannung sein oder die Durchschaltung einer externen Steuerspannung.
Als Eingangskriterien können verschiedene Parameter, von NEXUS internen Auswertungen bis hin zu extern anliegenden Relais-Signalen, herangezogen werden. Vier Eingangskriterien und vier Ausgangsfunktionen lassen sich dann mit verschiedenen Boole'schen Verknüpfungen kombinieren und abspeichern.
Die Logikfunktionen sind kaskadierbar und ermöglichen somit wirklich verzweigte logische Schaltungen. Um dabei die Übersicht zu behalten, sind die Logikfunktionen über eine grafische Darstellung einfach zu definieren.
Die eigentliche Herausforderung besteht in der Entwicklung der notwendigen Kriterien. Die programmierbaren Logikfunktionen sind nur wenige von vielen Features, die die neue NEXUS-Software Matrix 5 kombiniert mit neuer CPU bietet. Und obwohl beide zunächst für NEXUS-STAR entwickelt wurden, lassen sie sich inzwischen auch in klassischen NEXUS-Anwendungen einsetzen.