Und es gefällt
Shakespeares romantische Komödie »Wie es euch gefällt« inszeniert mit Sixties-Vibe und gemischt mit AURUS ist STAGETECs Theaterpremiere in den USA
Das Guthrie Theater in Minnesota im pulsierenden Norden der USA ist eine Spielstätte mit sehr variablem Programm. Es bietet mit klassischem Repertoire und durch die Förderung junger Werke eine möglichst breite kulturelle Palette. Entsprechend vielseitig sind die Anforderungen an die Tontechnik. Die alte Anlage des Theaters reichte für wirklich große Events nicht mehr aus. Man behalf sich in solchen Fällen mit Leihpulten; eine kostspielige und auf Dauer unbefriedigende Lösung. Anfang Mai wäre es wieder soweit gewesen: Für das Musical She loves me mit Premiere am 7. Mai hätte man wieder ein Leihpult mieten müssen. Um dies zu verhindern, sollten die zwei neuen AURUS’ samt NEXUS-Audiovernetzung rechtzeitig zum Probenbeginn dieses Stückes in Betrieb sein. Oder besser noch vorher, zum Probenbeginn einer tontechnisch unaufwändigeren Produktion, um erst einmal Erfahrung mit der neuen Technik sammeln und die gesamte Crew auf den Pulten einarbeiten zu können. So entstand ein anspruchsvoller Zeitplan für die Installation der ersten zwei AURUS-Pulte in einem amerikanischen Theater, und gleichzeitig der ersten AURUS’ in den USA überhaupt.
Mutiger Umbau
Die Wahl fiel auf Shakespeares Komödie »Wie es euch gefällt«, die als Feuerprobe für die neue Anlage dienen sollte. Damit blieben nur glatte drei Tage lang Zeit zum Umbau und Inbetriebnahme, von der Anlieferung bis zum Probenbeginn mit tontechnischer Unterstützung. Die Techniker des Theaters warteten sogar, bis sie grünes Licht vom Zoll erhielten, bevor sie die alten analogen Kabelbäume kappten. In dem gut belegten Haus hätte man sich einen weiteren Tag ohne Tonanlage nicht erlauben können.
Ein Grund für die problemlose Umsetzung dieses extrem knappen Zeitplans ist die durchgehende Glasfaserverkabelung der Anlage. Die Glasfaserkabel, die die zwei Mischpulte, den STAR Router und die 10 NEXUS-Basisgeräte verbinden, waren schon vorbereitet und mussten nur noch in die FOC-Buchsen eingesteckt werden. Die beiden AURUS-Pulte selbst sind auch denkbar schnell aufgebaut: Raus aus der Transportkiste, Glasfaser an den STAR anschließen, Stromkabel stecken und schon sind sie betriebsbereit. Das Guthrie Theater besteht schon seit 1963. Damals spielte es eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Theaterszene in den USA, denn es setzte ganz bewusst einen Gegenpol zu den sehr kommerziell ausgerichteten Shows am Broadway. Der Gründer Tyrone Guthrie führte damals die Idee eines non-profit Repertoire-Theaters in den USA ein. Das Theater ist dort auch heute noch das wichtigste seiner Art. Mit ständigen Expansionen und neuen Spielstätten wurde das alte, noch aus der Gründungszeit stammende Haus zu klein. Ein neuer großer Theaterbau, das Guthrie on the River mit drei Spielstätten wird im Sommer 2006 das alte Gebäude ablösen.
Um den Umstieg ins neue Haus zu vereinfachen, sollte die neue Tontechnik schon vorher erprobt, die Mitarbeiter eingearbeitet und die geforderten Zusatzfunktionen im Mischpult installiert sein. Auch hatte man mit dem Hersteller STAGETEC noch keinerlei Erfahrungen und wollte sicher gehen, dass die Mischpulte samt Router bis zum Umzug fehlerfrei laufen. Die Technik ging daher schon in 2005 im alten Haus in Betrieb.
Ein STAR und zwei Pulte
Ausgelegt ist die Anlage aber bereits für die Installation im neuen, größeren Haus. Dort wird es einen zentralen Maschinenraum geben, in dem die gesamte zentrale Rechner- und Audiotechnik sowie der NEXUS STAR untergebracht wird.
In einer AURUS-Installation ist der STAR nicht nur der Sternpunkt der angeschlossenen NEXUS-Basisgeräte, sondern gleichzeitig auch der Host für die AURUS-Karten. Der STAR des Guthrie Theaters beherbergt die Karten beider AURUS-Konsolen; eine sehr effektive Lösung.
Im Gegensatz zu Zweitkonsolen, wie sie in Theatern häufig eingesetzt werden, handelt es sich hier aber um zwei völlig unabhängige Systeme mit jeweils eigener CPU und eigenen DSP-Pools. Jeweils fünf bzw. drei DSP-Karten stellen die Rechenleistung für 150 bzw. 80 vollausgestattete Audiokanäle zur Verfügung, die über die Konsolen mit 48 bzw. 32 Kanalzügen bedient werden.
Scott W. Edwards über das neue Mischpult:
»Wir waren beeindruckt von der Schnelligkeit, mit der wir die beiden AURUS-Pulte in Betrieb nehmen konnten. Von Anfang an fühlten wir uns an der Konsole zu Hause. Die Bedienung ist wirklich vorbildlich und intuitiv, so wie man es von Analogpulten her kennt. Aber zusätzlich bietet AURUS eine hohe Flexibilität, viel mehr Audiokanäle und natürlich einen exzellenten Klang – wirklich eine Kombination der besten Eigenschaften aus beiden Welten.«
Vernetzt
Zum AURUS gehört grundsätzlich ein Datenserver, auf dem sämtliche Projektinformationen abgelegt sind. Dieser Rechner befindet sich, anders als noch beim CANTUS, nicht in der Konsole selbst, sondern im Hardware-Rack beim STAR. Im Guthrie Theater will man sich das zunutze machen und diesen Server über die noch freie Netzschnittstelle an das interne Linux-Datennetz anschließen. Die Idee besteht darin, dass man die AURUS-Projekte in eine automatische Backup- oder Archivierungs-Routine einbinden kann. Das ist gerade im Theaterbetrieb eines Repertoire-Theaters eine sinnvolle Sache, weil dort lange an Automationsdaten gefeilt wird, die dann über einen langen Zeitraum immer wieder zu Aufführungen benötigt werden.
Automation im Theater
Speziell für den Theaterbetrieb bieten sich die Snapshot- und die Szenen-automation im AURUS an. Eine dynamische Automation kann man dort weniger verwenden, weil der Ablauf eines Theaterstücks nicht timecode-genau starr geplant werden kann.
Die statische Snapshot-Automation, die auch die Grundlage für die im Theater wichtige Szenenautomation bildet, erfasst alle speicherbaren Parameter des Systems in einem bestimmten Moment und legt diese Momentaufnahme ab. Dazu gehören die Parameter sämtlicher Audio-Signalwege auf allen Layern sowie die gesamte Konfiguration des systemeigenen NEXUS-STAR-Routers. Dies ermöglicht beispielsweise die äußerst komfortable Umschaltung beliebiger Quellen und Senken beim Laden eines globalen, das gesamte Mischpult einbeziehenden Snapshots.
Außerdem gibt es Snapshots, mit denen man nur ganz bestimmte Teilbereiche eines Mischpult-Setups erfasst und alle übrigen unverändert lässt. Etwa spezielle Funktionen in allen Kanälen, alle Funktionen bestimmter Kanäle oder auch ganz individuelle Einzelparameter werden in diesen partiellen Snapshots abgelegt, die sich vom Anwender blitzschnell durch Anfassen der berührungsempfindlichen Bedienelemente definieren lassen. Im Theater programmiert man die Snapshots häufig so, dass man die Vorführung mit einem globalen Basis-Snapshot beginnt. Im Laufe der Vorstellung lädt man weitere Detail-Snapshots nach, die nur noch die jeweils erforderlichen Änderungen beinhalten.
Diese Arbeitsweise bewahrt den Anwender unter anderem davor, eine individuelle Anpassung wie etwa eine korrigierte Gain-Einstellung in jedem nachgeladenen Preset erneut ausführen zu müssen.
Internationale Unterschiede
Die besonders im Theaterbereich wichtige Szenen-Automation verbindet mehrere Mischpult-Snapshots, seien sie nun global oder nur auf bestimmte Bereiche bezogen, zu einer Ablaufliste. Ihre Einträge können dann während der Vorstellung manuell, automatisch oder gesteuert durch externe Trigger abgerufen und ineinander überblendet werden. Neben Global- oder Detail-Snapshots der Mischpult-Parameter lassen sich innerhalb der Liste auch noch viele andere Events programmieren – zum Beispiel GPI-Befehle zur Steuerung externer Zuspieler oder auch die Ausgabe von MIDI-Befehlen, etwa zur Preset-Umschaltung eines externen Nachhallprozessors. Soweit der Einsatzbereich der Automation in Europa. In den USA ist die Arbeitsweise jedoch anders. Zumindest im Guthrie Theater ist es üblich, die Vorführung über ein Sequencer-Programm zu fahren. Dieses Programm steuert über MIDI alle Peripheriegeräte, die Zuspieler und eben auch die Snapshots des Mischpults. Schon lange vor der AURUS-Installation hatte man dort diese Verfahrensweise entwickelt und will auch weiterhin so arbeiten. Die MIDI-Steuerbarkeit der AURUS Szenenautomation stand deshalb ganz oben auf der Wunschliste beim Guthrie Theater. Dieses Feature wird daher in Kürze hinzugefügt, so dass Szeneneinstellungen zukünftig während der Vorstellung über MIDI getriggert werden - genau anders herum als in Europa üblich.
Besetzungskarussel
Eine weitere Forderung für das neue Guthrie-Mischpult lag in der Möglichkeit, einen Parameter auch aus der Snapshot-Automation herausnehmen zu können. Mit der Isolate-Funktion gehört dies allerdings schon zum Standard der AURUS-Automation. Sie ist besonders dann wichtig, wenn man mit unterschiedlichen Besetzungen arbeitet. Muss man nämlich die Vorstellung mit einer geänderten Besetzung – und damit auch mit geänderten Gain- und Filtereinstellungen – arbeiten, dann bietet die Isolate-Funktion eine einfache Möglichkeit, die vorhandene Automation trotzdem noch zu verwenden.
Man kann übrigens die Problematik der Aushilfsschauspieler mit anderen Kanaleinstellungen als den im Snapshot abgespeicherten noch eleganter lösen. Dazu teilt man die Snapshots auf in automatisierte Ablauf-Snapshots und in statische Sänger-Snapshots. Für jeden Sänger oder Schauspieler wird eine statische Einstellung für Mikrofonpegel und Filter erstellt. Diese Detail-Snapshots lassen sich vor der Vorführung laden, und zwar so, wie die Besetzung bei dieser Vorstellung auch tatsächlich zusammengestellt ist. Damit kann man auch automatisiert fahren, wenn zum Beispiel wegen Krankheit eines Künstlers ein gemischtes Team aus A- und B-Besetzung auftritt.
Welche Arbeitsweise mit der Automation sich letztendlich im Guthrie Theater durchsetzt, muss sich erst noch zeigen. Oft ist es eine Frage des persönlichen Arbeitsstils, wie man eine Aufgabenstellung löst. Die zahlreichen Möglichkeiten des AURUS, nicht nur in punkto Automation, sondern auch mit all seinen anderen Funktionen und Features, lassen die Toncrew am Guthrie Theater jetzt schon entspannt der nächsten Premiere entgegenschauen.