Voller Ideen
Der größte Ü-Wagen auf Europas Straßen zeichnet sich nicht nur durch seine Dimensionen aus. Es sind seine unkonventionellen Lösungen, die TopVisions neuen HD Ü5 zu einem echten Hingucker machen. Dazu gehört auch ein kompaktes, leichtes und flexibles Detail: die stringente Glasfaser-Verkabelung
Zwei Bildregien, ein großer Bildtechnik-Multifunktionsraum mit zwei MAZ-Bereichen und separatem Slowmotion-Bereich, eine zusätzliche Editsuite mit NLE-Schnitt und natürlich eine 7.1-Tonregie: Was sich hier liest wie die Beschreibung eines gut ausgestatteten Produktionsgebäudes, findet sich in Wirklichkeit an Bord eines neuen HD/SD-Übertragungswagens wieder. Das Raumwunder des Berliner Anbieters von TV-Außenübertragungen TopVision darf allerdings im fahrtauglichen Zustand nicht länger als 16,5 m und breiter als 2,5 m sein, um auf Europas Straßen fahren zu dürfen. Daher verfügt der Sattelauflieger über zwei große Teilauszüge an den Seiten und einen etwas kürzeren, nach hinten ausfahrbaren Bereich. Im ausgefahrenen Zustand bietet der Wagen damit rund 70 m² Bruttofläche.
Voll bestückt
Ganz klar: Der neue HD Ü5 von TopVision zielt auf die Übertragung von Großveranstaltungen ab. Zum einen werden das sportliche Events wie etwa die Fußball-WM sein, die den zeitlichen Rahmen zum Bau dieses Wagens gesteckt hatte. Ein zweites Standbein des Wagens sind Konzertmitschnitte. Beides erfordert einen exzellenten Ton, bei HDTV-Formaten selbstverständlich auch als Mehrkanalton, der bei Sportübertragungen im Pay-TV fast schon Standard ist.
Die komfortable Mehrkanaltonfähigkeit gab auch den Ausschlag für AURUS in der Tonregie, und zwar in Vollausstattung. Mit sieben DSP-Karten lassen sich nun alle geforderten Konfigurationen umsetzen – je nach Aufteilung mit bis zu 300 Kanälen oder bis zu 128 Bussen.
Die Realität wird wohl irgendwo in der Mitte liegen, zum Beispiel, um die geforderte maximale Anzahl von sechs Mehrkanalsummen in 7.1 abgeben zu können.
Großer Stern
So groß dimensioniert wie der Wagen ist auch sein NEXUS-Audionetz. Etwa 2.000 x 2.000 Ein- und Ausgänge und 52 Mikrofonkarten mit 208 TrueMatch-Mikrofoneingängen umfasst die Matrix. Speziell die Mehrkanal-Formate können wahlweise diskret oder über Dolby-E von NEXUS verteilt und abgegeben werden.
Allein in der Tonregie, den Videoräumen und der MAZ sind sieben Basisgeräte installiert. Aus Platzgründen wurden sie alle so kompakt wie möglich bestückt und audioseitig über Sub-D-Verbinder fest verkabelt. Mit NEXUS STAR und AURUS in der Mitte bilden sie ein sternförmiges Audionetz.
Soweit entspricht die Anlage noch einer herkömmlichen Ü-Wagen-Vernetzung, wenngleich mit größerem Umfang. Hinzu kommen jedoch noch sieben mobile NEXUS-Stageboxen und ein halbmobiles Basisgerät im Videoschnittraum im Rüstwagen – und diese sind alles andere als herkömmlich angeschlossen.
Farbenfroh
TopVision hat bereits über Jahre hinweg Erfahrung mit der Zuverlässigkeit von STAGETEC-Produkten gesammelt. Schon ihr Ü4 ist mit CANTUS mit NEXUS-Netz samt mobiler Basisgeräte bestückt, so dass die Idee der über Glasfaser abgesetzten I/O-Einheiten bei der Planung des HD Ü5 keine Besonderheit mehr war. Im Gegenteil: Mit den Erfahrungen aus der Ü4-Praxis sollten die Vorteile dieses Konzepts noch weiter ausgebaut werden.
Das ist bei einem solch umfangreichen System auch fast unumgänglich.
Man stelle sich nur kurz den Verkabelungsaufwand vor, der nötig wäre, wenn man einen derartigen Ü-Wagen mit all seinem externen Equipment vor einer Produktion auf herkömmlichem Weg anschließen wollte! Bis zu 28 Kamerakabel, sieben Glasfasern für die externen NEXUS-Basisgeräte, womöglich noch Intercom-Verkabelung und andere Zusatzwege – alles müsste einzeln gezogen werden, und das teilweise bis in entlegene Winkel. Viel einfacher geht es, wenn man die Signale auf Glasfaser bündelt.
Nun könnten die Intercom-Signale ohnehin transparent über NEXUS weitergeleitet werden, so dass sie keine eigene Kabelstrecke bräuchten. Beim HD Ü5 geht man jedoch einen anderen Weg.
Jeweils eine Gruppe von Signalen, bestehend aus HD/SDI, NEXUS FOC, Intercom, RS422 und Ethernet wird zusammengefasst, so dass man diese Gruppe über ein einziges Glasfaserkabel übertragen kann. Die Einsparung an Kabel, Gewicht und Platzbedarf ist enorm.
Für diese Bündelung kommt das so genannte Coarse Wavelength Division Multiplexing CWDM zum Einsatz, ein Wellenlängen-Multiplex-Verfahren, das die Mehrfachausnutzung einer Glasfaser ermöglicht. Salopp gesagt, werden schlicht verschiedene Trägerwellenlängen, sprich verschiedenfarbiges Licht, auf derselben Faser verwendet. Dieses Verfahren wird häufig zur verbesserten Ausnutzung städtischer Computernetzwerke herangezogen oder gar in manch modernem Stadion als hauseigene Audio-Video-Infrastruktur gebraucht. Ein ähnliches Verfahren wurde auch schon an anderer Stelle bei Außenübertragungen eingesetzt, zum Beispiel als Bergverkabelung der Ski-WM 2003 in St. Moritz. In der Welt der Ü-Wagen-Verkabelung, in der jedes eingesparte Gramm und jede Arbeitserleichterung vor Ort zählt, ist es jedoch erstaunlicherweise noch ein absolutes Novum.
Für beide Richtungen
Insgesamt verfügt der HD Ü5 über acht dieser Glasfaser-Multiplexer, die jeweils 16 Übertragungskanäle bündeln können. Damit bleibt viel Flexibilität in der Verkabelung – bis zu acht externe Technikstandorte lassen sich so mit Leitungen für Video, Ton und Zusatzsignale versorgen.
Und nicht nur das: Die speziellen Hybridkabel, eine Kombination aus Glasfaser plus zusätzlichem Netzkabel, liefern vor Ort auch die notwendige Netzspannung zum Betrieb von Sprechstelle, Basisgerät, Computer oder sonstigem Equipment.
Neben der gebündelten Verkabelung weist CWDM noch einen weiteren Vorteil auf: Bei einer Sportveranstaltung in einem Stadion mit fest verlegter Glasfaser kann der Ü-Wagen häufig direkt per CWDM an die Haus-Infrastruktur andocken und spart dadurch nochmals an Verkabelungsaufwand.
Um den Einsatz der Multiplex-Strecken so universell wie möglich zu halten, sind für jeden der Dienste zwei eigene Frequenzen definiert; eine Frequenz je Richtung. Für den Ton wurden zwei Wellenlängen zwischen 1.500 und 1.600 nm festgelegt, ein Bereich, den auch die neuesten Glasfaser-Module am NEXUS unterstützen. Dadurch erübrigt sich ein kostspieliger externer Transponder, der sonst am Eingang des Multiplexers die Lichtfarbe entsprechend umsetzen würde. TopVision ist übrigens der erste Nutzer, der diese neuen NEXUS-Glasfaser-Module einsetzt, die den Anschluß eines Basisgeräts mit geringstem Verkabelungsaufwand ermöglichen.
Und noch mehr Neues
Doch damit noch nicht genug der Besonderheiten. Zwei der mobilen NEXUS-Basisgeräte des HD Ü5 sind die ersten Systeme in der neuen 1-HE-Bauform. Sie sollen vor allem als I/O-Interface an entlegenen Kamerastandorten wie zum Beispiel für Hintertor-Kameras oder Hothead-Kameras dienen.
Zudem verfügt der Wagen über den neuen KSC-Manager von BFE, eine systemübergreifende Steuerung, die ebenfalls die NEXUS-Funktionen zentral fernbedienen kann. Neuerungen wie das zentrale System zur Aufschaltung beliebiger Computer auf beliebige Tastaturen und Bildschirme muten in dieser Aneinanderreihung von Besonderheiten fast trivial an. Ein weiterer Superlativ muss dennoch genannt werden, schließlich handelt es sich nicht um einen Hörfunkwagen, sondern um den derzeit größten HD-Wagen. Und da sollten neben all dem Ton die 28 digitalen HD-Kameras natürlich nicht unerwähnt bleiben!
Intercom-Sprechstelle inklusive
In einem Ü-Wagen muss jede Funktionalität mit so geringem Platzbedarf wie möglich realisiert werden. Ganz besonders trifft dies auf den umfangreich bestückten HD Ü5 von TopVision zu. Daher gehört er auch zu den ersten Übertragungswagen, die das neue, in die AURUS-Oberfläche integrierte Intercom-Interface nutzen, das eine externe Intercom-Sprechstelle in der Tonregie ersetzt. Dafür wurden neue Tasten und Drehgeber in die Zentraleinheit der Mischpult-Oberfläche eingebaut. LED-Anzeigen geben die Namen der erreichbaren Sprechstellen und damit die Namen aller anwählbaren Ziele wieder. Das Intercom-Interface beinhaltet 20 Sprechtasten in zwei Pages, so dass bis zu 40 verschiedene Sprechziele gewählt werden können.