Novum für Synchronisationen
Bei dieser Installation ist alles neu und höchst modern: die Räume, die Technik, das Konzept — und die Wahl von AURATUS, speziell zugeschnitten auf die Bedürfnisse im Synchronstudio
Die Sparte der Filmsynchronisation zeigte sich bisher recht unbeeindruckt von der Entwicklung hin zur digitalen Tontechnik, nimmt man die DAWs als Ersatz für analoges Tonband einmal aus. Alte Studios mit Technik und Interieur, die noch weit aus dem letzten Jahrhundert stammen, dominieren die Szene. Umso bemerkenswerter präsentieren sich die neuen Räumlichkeiten der Film- & Fernseh-Synchron GmbH FFS, die Mitte November 2011 in Berlin eröffnet wurden. Gestaltungswille zeigt sich hier in wirklich jedem Detail. Zum Beispiel in den Räumlichkeiten selbst: Im Dachgeschoss eines Industriebaus aus den 1920er-Jahren wurden auf 700 Quadratmetern fünf komplett neue Studios samt Regien und einer Aufenthalts-Lounge geschaffen, die es wert wären, in einem Magazin wie „Schöner Arbeiten“ besprochen zu werden.
Das gesamte Stockwerk wurde zunächst auf eine Deckenhöhe bis zu viereinhalb Metern erhöht, ein Vorgehen, das nicht allein der Optik, sondern auch der Bau- und Raumakustik geschuldet war. Eine konsequente Raum-in-Raum-Konstruktionen mit Schalldämmung und schwingungsisolierter Lagerung sorgt nun dafür, dass sämtliche Bereiche akustisch vollständig voneinander getrennt sind.
Rainer Ludwig ist Geschäftsführer der Berliner Niederlassung der Film- & Fernsehsynchron GmbH. FFS besteht seit 1971 und gehört mit 63 festangestellten Mitarbeitern sowie zahlreichen freien Autoren und Regisseuren an den zwei Standorten Berlin und München zu den Großen der deutschen Film- und Fernsehsynchronisation.
Akustisch austauschbar
Auch bei der Raumgestaltung gab die Akustik den Ton an: »So ziemlich die einzige Vorgabe, die wir dem Architekten und Akustiker gemacht haben, waren die zu erreichenden Werte der Raumakustik. Ansonsten haben wir ihm in weiten Bereichen freie Hand gelassen«, erläutert Rainer Ludwig, Geschäftsführer der Berliner FFS-Niederlassung. Herausgekommen sind fünf Studio-Regie-Komplexe, die akustisch gleichwertig sind. »Damit haben wir eines der Probleme der Filmsynchronisation gelöst«, so Ludwig weiter. »Wir können in einem der Studios mit Synchronaufnahmen beginnen, zum Beispiel für den Trailer. Wenn schließlich der gesamte Film zur Synchronisation vorliegt, führen wir die restlichen Aufnahmen in einem beliebigen anderen Studio durch, ohne dass es zu einem Bruch im Klang kommt.«
Die Audiofiles selbst werden auf einem vernetzten Audio-Server abgelegt, auf den alle DAWs des Hauses Zugriff haben. Über diesen Server erhält auch später das Mischstudio — in der Regel eines der beiden Mischstudios der FFS in München — Zugang zu den Synchronaufnahmen.
Viel zu hören
Die technische Ausstattung der Regien wurde ebenfalls harmonisiert und befindet sich nun auf höchstem Niveau. Der Leiter der Studiotechnik, Lars Lächel, legt die Grundidee dar: »Wir haben uns bewusst für eine Lösung mit Mischpult anstelle eines DAW-Controllers entschieden, denn wir setzen auf Hightech und Schnelligkeit. Damit stellen unsere Studios im Umfeld der Filmsynchronisation eine echte Ausnahme dar!«
Die Wahl fiel auf AURATUS, das kleinste der STAGETEC-Produktionsmischpulte. Im Synchronbetrieb wird in der Regel ein Sprachsignal, also eine Spur monophon aufgezeichnet. Deutlich seltener verwendet man mehrere Sprechermikrofone gleichzeitig und zeichnet in Stereo auf. Die benötigten Abhörmöglichkeiten für den Sprecher und Tonmeister sind deutlich komplexer: Zunächst will der Schauspieler den Originalton anhören, Print-Master genannt, um eine Orientierung zu haben, wie der Dialog klingen soll. Während der Aufnahme ist es sinnvoller, den Ton ohne Originaldialog zu hören, den so genannten Music & Effects. Beide Mischungen liegen im 5.0-Format vor. AURATUS übernimmt dabei auch den Downmix, damit sich die Surround-Quellen nicht nur in der Regie über die surroundfähige Lautsprecheranlage abhören lassen, sondern auch über Kopfhörer am Sprecherpult.
Die Entwickler des AURATUS haben diese Installation zum Anlass genommen, die Surround-Fähigkeit des Mischpults noch einmal zu erweitern. Es unterstützt nun zwei unabhängige 5.1-Busse, davon ein Gruppenbus und ein Summenbus. Für FFS bedeutet dies, dass man die Wahlfreiheit hat, ob man rein in Mono, Stereo oder in 5.1 aufnehmen will. Alle anderen AURATUS-Kunden profitieren von dieser Entwicklung und werden nach dem nächsten Update ebenfalls auf die erweiterte 5.1-Funktionalität zurückgreifen können.
Alles ganz logisch
Eine für die Schauspieler sehr wichtige Funktion bei Synchronaufnahmen besteht darin, zwischen O-Ton und der Aufnahme hin- und herschalten zu können, beispielsweise, um einen erneuten Einstieg vorzubereiten. Diese manuelle NEXUS-Monitoringumschaltung erfolgt über das Anwählen einer frei belegbaren User-Taste im AURATUS- Kanalzug. Darüber hinaus werden viele Umschaltungen aber auch automatisiert ausgelöst, wofür die NEXUS-Systeme mit XRI-Interfaces ausgestattet sind, die externe Triggersignale empfangen und auch externe Geräte ihrerseits triggern können.
Bei Synchronaufnahmen wird üblicherweise ein so genanntes Taker-System verwendet. Es steuert die Bild- und Tonzuspieler, blendet einen Countdown ein und ermöglicht einen automatischen Einstieg in die Aufnahme. Das Bild wird dabei in vorab programmierten Schleifen, den Takes, abgespielt; bei Bedarf so lange, bis der Tonmeister die Synchronaufnahme zu dem entsprechenden Take als erfolgreich markiert. An dieses Taker-System ist auch NEXUS steuerseitig gekoppelt. Wird auf der DAW die Aufnahme gestartet, so schaltet NEXUS die Abhörquelle automatisch auf das Sprechermikrofon um. Dieser Vorgang wird mit Hilfe der NEXUS Logikschaltungen realisiert und vom Taker getriggert. Mit diesen Funktionen arbeiten AURATUS und NEXUS exakt und optimal angeglichen an den sehr genau festgelegten Workflow bei Synchronaufnahmen.
Gegenüber externen Relais-Schaltungen bietet die in dem Tandem aus Pult und Audio-Router integrierte Logik viel Flexibilität, da sich die Logikschaltungen jederzeit umprogrammieren lassen. Die Mischpultbedienung und der Aufnahmebetrieb sind mit dieser maßgeschneiderten Lösung sehr komfortabel und schnell, was einen echten betriebswirtschaftlichen Vorteil darstellt.
Auch die Kommandofunktion zwischen den Regien und Studios funktioniert auf diese Weise, wobei NEXUS sowohl die Steuerung als auch die Audioweiterleitung selbst übernimmt. Eine etwas ausgefallenere Anwendung der NEXUS-Logikfunktionen zusammen mit der bei allen STAGETEC-Produktionspulten möglichen, optionalen Umschaltung des Metering-Displays ermöglicht eine Zugangskontrolle für den Produktionsbereich: Wird die Türklingel gedrückt, so schaltet die NEXUS-Logik für etwa fünf Sekunden die Türkamera auf den Bildmonitor des Tonmeisters, der dann bei Bedarf die Tür öffnen kann.
Kleine Inseln
Die jeweilige Mischpultkarte der fünf AURATUS-Pulte ist in jeder Regie in einem kompakten NEXUS-Basisgerät mit drei Höheneinheiten integriert. Da diese NEXUS-Einheiten keinen Lüfter benötigen — die Leistung einer Einheit inklusive der bei FFS verwendeten Steckkarten beträgt nur 40 Watt — konnte eines der Racks direkt in den Regietisch eingebaut werden, was eine bauliche Vorgabe war.
Die fünf Einheiten aus AURATUS und NEXUS werden vollkommen unabhängig voneinander betrieben. Sie sind also nicht audioseitig untereinander verschaltet; ein Austausch von Tönen findet rein file-basiert über den DAW-Server statt. Ungewöhnlich für eine solche Installation ist auch die Tatsache, dass weder im AURATUS noch im NEXUS Konfigurationen welcher Art auch immer vorgenommen werden. Vielmehr hat man vorab ein Setup festgelegt, mit dem man nach einem starren Schema alle Synchronaufnahmen fahren kann. Das ist im Synchronbetrieb ein sinnvoller Ansatz, geht es hier doch vor allem um Geschwindigkeit, um sehr viele Aufnahmen und um die Austauschbarkeit der Regien untereinander. Die Einarbeitungszeit für die vielen freien Mitarbeiter bleibt damit ebenfalls sehr überschaubar und der Administrationsaufwand ist nahezu auf Null geschrumpft.
Vorzeigecharakter
In den neuen Räumen der Berliner FFS bemerkt der Besucher schon auf den ersten Blick, dass in diesem Haus hohe Qualitätsanforderungen gelten. Eigentlich erstaunt es, dass ein solcher Trend nicht schon lange seinen Weg in die Synchron-Vertonung gefunden hat. Jedenfalls stellt diese Installation die Weichen für eine ganze Branche: weg vom Charme der Selbstbaulösung, hinein ins digitale Zeitalter.
»Schon die Wahl des richtigen Mikrofonverstärkers ist ja eine Wissenschaft — oder eine Glaubensfrage. Wir haben uns ganz gegen eine analoge Verstärkung entschieden und sind mit den 32-Bit-Mikrofonwandlern in NEXUS hervorragend ausgestattet«, meint Lars Lächel. »Außerdem sehen wir in dieser Anlage noch viel Entwicklungspotenzial für die Zukunft. Falls zum Beispiel ein Umstieg auf eine Abtastrate von 96 kHz gefragt werden sollte, so können wir unser System einfach umrüsten. Mein Steckenpferd wäre es, die bisher einzige analog verbliebene Komponente, nämlich das Mikrofon, durch ein digitales zu ersetzen und via AES42 an NEXUS anzubinden. Mit unserem NEXUS wäre das schon heute möglich.«