AURUS-Automation im WDR
Viele Hände
Kollege Computer ist heute in der Tonproduktion ein allgegenwärtiger Mitarbeiter. Zu seinen dankenswertesten Fähigkeiten gehört es, sich unsere Aktivitäten auf einer Mischpultoberfläche zu merken und sie im richtigen Augenblick wieder parat zu haben: das entscheidende Wesensmerkmal moderner Mischpult-Automationssysteme
Noch bis gegen Ende der 70er Jahre war eine Mischung meist eine gänzlich manuelle Angelegenheit – und damit angesichts der stetig steigenden Spurenzahlen eine beträchtliche Konzentrationsübung. Häufig mussten alle im Studio verfügbaren Musiker- und Technikerhände mithelfen, um an der richtigen Stelle einen Fader zu bewegen oder eine Taste zu drücken. Ein einziger Flüchtigkeitsfehler – und alles begann von vorn. Natürlich hat es nicht an Anstrengungen gefehlt, diesem Zustand ein Ende zu bereiten; darunter auch so skurrile Versuche wie das Abfotografieren der gesamten Pultoberfläche.
Freund Computer
Kein Wunder, dass zu den ersten Aufgabengebieten des Computers im Tonstudio die Automation der Kanalregler und der Cut-Tasten gehörte. Die Möglichkeit, zumindest die beiden wichtigsten Bedienelemente im Kanal mit Zeitbezug zum Mehrspurband dynamisch zu automatisieren, hat die gesamte Mehrspur-Produktionstechnik revolutioniert und viele Arbeitsverfahren überhaupt erst ermöglicht.
Wirklich komfortable Automationen, die alle Mischpult-Parameter erfassen, wurden allerdings erst mit der Einführung der digitalen Audiotechnik realisierbar. Die Speicher- und Automatisierbarkeit der Bedienelemente, vom ersten Tag an Kern aller STAGETEC-Systeme, gehört zu den Schlüsselargumenten der Digitaltechnik. Erst sie machten es möglich, alle Mischpulteinstellungen ohne stundenlanges manuelles Rückstellen zu reproduzieren und so verschiedene Projekte zeitversetzt im Wechsel zu bearbeiten – ein unschätzbarer betriebswirtschaftlicher Vorteil. Aber auch die künstlerische Qualität einer Mischung profitiert ganz erheblich von einer leistungsfähigen Automation: Nur so kann der Toningenieur nacheinander an verschiedenen Details arbeiten und seinen Mix perfektionieren.
Geschwind geladen
Für die Erfassung und Reproduktion der Mischpultparameter haben sich im wesentlichen drei verschiedene Verfahren etabliert: die Snapshot-, die Szenen- und die dynamische Automation, wobei letztere am anspruchsvollsten zu realisieren ist. Natürlich sind alle Parameter im AURUS dynamisch automatisierbar – aber diese Tatsache allein sagt noch wenig über die Qualität einer Automation aus. Der Teufel steckt wie bei vielen komplexen Technologien auch hier im Detail. Vielleicht das wichtigste Kriterium für ein Automationssystem ü berhaupt ist die Schnelligkeit bei der präzisen Reproduktion gespeicherter Daten.
Dabei zeigt sich AURUS wegweisend: Alle Mischpultparameter, ganz gleich wie viele es sind, werden im äußerst engen Zeitraster von 10 ms abgetastet und reproduziert. Gegenüber herkömmlichen dynamischen Automationen mit Frame-Genauigkeit (40 ms bei 25 Frames pro Sekunde) arbeitet AURUS also mit der vierfachen Datenmenge. Sehr wichtig dabei: Die äußerst kurze Reaktionszeit des Mischpults ist völlig unabhängig von der Anzahl der zu automatisierenden Kanäle in jeder Betriebssituation sichergestellt – unabhängig davon, ob gerade fünf oder 200 Signalwege im Spiel sind.
Synchronkünstler
Die Automationsdaten müssen dazu sehr schnell im Mischpult in die beteiligten DSPs und Anzeigeninstrumente geladen werden. Diese hohe Ladegeschwindigkeit sorgt gleichzeitig dafür, dass der Anwender der STAGETEC-Konsole niemals auf das System warten muss. Auch nach Sprüngen auf der Zeitachse und selbst im Shuttle-Betrieb werden die korrekten Automationsdaten verzögerungsfrei wiedergegeben. Diese sichere Synchronisation auf die angebundene Mastermaschine sowohl im Vorwärts- wie auch im Shuttle-Betrieb hat noch einen anderen Grund: Neben dem Timecode selbst wertet das Mischpult auch die Maschinensteuerungsdaten (9-Pin) des angebundenen Recorders oder der DAW aus und weiß daher, in welche Richtung der Recorder derzeit läuft. Ein weiterer Vorteil: Auch stehender Timecode wird auf Wunsch ausgewertet. Das ist hilfreich, um an einer bestimmten Position Funktionen in den Write-Modus zu versetzen, ohne dass der Mix beim Anhalten der Maschine beendet wird. Dabei kann durch Eingabe eines Toleranzbereichs dafür gesorgt werden, dass auch bei geringfügigen Positionsänderungen, wie sie etwa beim Ein- und Ausfädeln von Kopftrommel-Laufwerken vorkommen, der Stop-Modus nicht verlassen wird. AURUS unterstützt von Hause aus die 9-Pin-Protokolle und deren Dialekte der wichtigsten Standardmaschinen; erst bei komplexen Maschinen-Setups mit Chase-Synchronisation ist der Einsatz eines zusätzlichen Synchronizers notwendig.
In komplexen Systeminstallationen unterstützt das zum AURUS gehörende NEXUS zusätzlich das Timecode-Setup. Innerhalb von NEXUS lassen sich dafür eigene Timecode-Kreuzschienen bilden. Die Timecodesignale aller vorhandenen Maschinen werden dabei im Maschinenraum ü ber die transparente Interface-Karte XTI eingespeist und stehen dann systemweit im Zugriff. Im Pult kann jede Maschine als Timecodequelle angewählt werden – ganz ohne umständliches Strippenziehen.
Blendend
Ebenso wichtig wie die Schnelligkeit einer Automation ist natürlich die Signalqualität speziell bei Blendvorgängen der Pegel-Parameter. STAGETEC arbeitet hier durchweg mit aufwändigen Verschleifkurven und Rampenfunktionen, die eine hohe Rechenleistung voraussetzen und für das AURUS noch einmal deutlich verfeinert wurden.
Zusammen mit der hohen zeitlichen Auflösung erreicht man so bei Pegelfahrten eine perfekte Annäherung an die ursprünglich geschriebene Bewegung ohne Störungen wie die gefürchteten Fahrradketteneffekte.
Sehen, was geschieht
Funktionsumfang und technische Leistungsdaten einer Automation sind wichtig. Mindestens genauso entscheidend ist allerdings ein gelungenes Ergonomiekonzept. Und das zeigt sich eben an den vielen kleinen Details, die den Bedienungsaufwand im Arbeitsalltag so weit wie möglich reduzieren. Ganz oben auf der Liste steht dabei die optische Rückmeldung: Je mehr Parameter in einem Mischpult automatisiert werden können, desto wichtiger wird es für den Anwender, jederzeit sehen zu können, was passiert. Auch in dieser Hinsicht ist AURUS mit seiner Kombination aus Motorregler, TFTs in der Meterbridge und LED-Bogenanzeigen für jeden seiner 22 berührungsempfindlichen Drehgeber pro Kanal kaum zu schlagen. Dazu kommen aussagekräftige, interaktive Dialogfenster des Automationssystems im Zentralbereich des Mischpults. Beispielsweise das Mix-Path-Fenster, in dem die unterschiedlichen Mischungsversionen nach Art eines Blockschaltbilds ü bersichtlich dargestellt und verwaltet werden. Soll ein Mix gespeichert werden, so drückt man einfach die Taste »To Keep« und die Mischung erscheint als neuer Block in der Darstellung. Die Hierarchie der gespeicherten Mischungen bleibt dabei jederzeit transparent.
Für den Kanal-Fader sind Motorregler zweifellos die eleganteste Lösung. Allerdings nur dann, wenn wie beim AURUS auch die Ansteuerung professionell gelöst wurde. Sonst stören unschöne Zappeleffekte mit der damit verbundenen Geräuschentwicklung bei der Arbeit. Das Geheimnis liegt hier neben einer hohen Auflösung über den gesamten Regelbereich vor allem in den aufwändigen Steueralgorithmen. Der Fader muss einerseits schnell sein, sich dabei aber asymptotisch an seinen Endwert annähern, um Überschwingen zu vermeiden – keine ganz leichte Aufgabe.
Automation im Einsatz
Christoph Gronarz, Produktionsingenieur beim WDR, kennt das WDR-Studio in der Philharmonie Köln seit seiner Eröffnung vor 19 Jahren wie seine Westentasche. Das Studio, das seinerzeit mit der Installation der ersten großen Digitalkonsole Audiogeschichte geschrieben hatte, wurde im letzten Sommer im Rahmen einer Kompletterneuerung mit einem AURUS von STAGETEC ausgestattet. Gronartz zu dieser Investitionsentscheidung: »AURUS ist nach meiner Überzeugung zur Zeit das modernste Digitalpult auf dem Markt.«
Ein wichtiges Argument waren auch die vorzüglichen 28-Bit-Wandler der STAGETEC-Konsolen. Während unseres Besuchs im Frühjahr begannen gerade die Mischungen für eine SACD-Surroundproduktion der »Daphne« von Richard Strauss mit dem WDR-Sinfonieorchester unter Semyon Bychkov. Für das umfangreiche Projekt mit bis zu 44 Spuren war die dynamische AURUS-Automation ein unverzichtbares Gestaltungselement, da viele Bewegungen der Solisten mit dem Joystick begleitet wurden.
Traumpartner
Schnell, kommunikationsfreudig und präzise – das Automationssystem im AURUS bringt ideale Voraussetzungen für eine perfekte Partnerschaft im Regieraum mit. Nicht zu vergessen natürlich ein phänomenales Gedächtnis. Wer wünscht sich nicht solche Eigenschaften für seinen Assistenten ...